Haftungsprobleme des GmbH-Geschäftsführers im Rahmen der Liquidation bzw. Insolvenz
von Dr. Norbert Gieseler Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht und Erbrecht, Nürnberg
Deutsche Anwalts- und
Steuerberatervereinigung
für die mittelständische
Wirtschaft e. V.
1.Insolvenzverschleppung
Gemäß § 64 GmbHG hat der Geschäftsführer ohne schuldhafte Verzögerung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.
Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO liegt vor, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Gläubiger tatsächlich Zahlung verlangen. Maßgeblich sind alle fälligen Geldverbindlichkeiten des Unternehmens. Nur eine echte Stundung beseitigt die Fälligkeit. Ein kurzfristiger Liquiditätsengpass führt auch nicht zur Zahlungsunfähigkeit. Kurzfristigkeit liegt nicht mehr vor bei einem Zeitraum von zwei Wochen. Kann während dieser Zeit nicht ausreichend Liquidität beschafft werden, liegt Zahlungsunfähigkeit vor. Auch die Unfähigkeit, einen geringen Teil der fälligen Verbindlichkeiten zu zahlen, führt zur Zahlungsunfähigkeit, wobei ganz geringfügige Liquiditätslücken außer Betracht zu bleiben haben. Dafür geht der BGH praxistauglich von einer Liquiditätslücke von unter 10 % der fälligen Verbindlichkeiten aus.
Bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann der Geschäftsführer für die Gesellschaft einen Insolvenzantrag stellen, er muss es aber nicht. Gläubiger der Gesellschaft können einen Antrag nicht stellen. Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die Gesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage ist, ihre bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen.
Überschuldung liegt nach § 19 Abs. II InsO vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Maßgebend hierfür ist eine Überschuldungsbilanz, bei welcher die handelsrechtlichen Bewertungsregeln nicht gelten. In ihr sind die Aktivpositionen grundsätzlich mit den Liquidationswerten anzusetzen. Nach § 19 Abs. II Satz 2 InsO sind jedoch die Fortführungswerte maßgebend, wenn die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist. Ist Ergebnis der Überschuldungsbilanz zu Fortführungswerten negativ, besteht Insolvenzantragspflicht trotz positiver Fortführungsprognose. Die positive Fortführungsprognose setzt die Aufstellung eines dokumentierten Finanzplans voraus. Hierbei ist die Prognose nur dann positiv, wenn sich aus dem Finanzplan die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig über die erforderliche Liquidität verfügen wird, um einen Einnahmeüberschuss zu erzielen, aus dem die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können. Planungshorizont ist mindestens das Ende des folgenden Geschäftsjahres.
Soweit der Geschäftsführer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung feststellt, ist er verpflichtet, ohne schuldhafte Verzögerung einen Insolvenzantrag zustellen. Diese Verpflichtung trifft auch den, der die Geschäfte wie ein Geschäftsführer führt, ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein.
Der Antrag ist ohne schuldhafte Verzögerung zu stellen, spätestens innerhalb von drei Wochen ab Erkennbarkeit der Insolvenzreife. Die 3-Wochen-Frist soll die Möglichkeit geben, eine Sanierungsmöglichkeit zu suchen.
Soweit der Geschäftsführer gegen diese Insolvenzantragspflicht verstößt, macht er sich schadensersatzpflichtig.
Der Gesellschaft gegenüber haftet er nach § 43 Abs. II GmbHG, und zwar für den Schaden, der der Gesellschaft durch die Verspätung oder Unterlassung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, soweit die Verzögerung gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig war. Pflichtwidrigkeit ist ausgeschlossen, wenn die Verzögerung des Geschäftsführers auf Weisung der Gesellschafter beruht. Weisungen beseitigen allerdings nicht die Ersatzpflicht gemäß § 43 Abs. III Satz 3 GmbHG, also wenn der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Der Schaden kann darin bestehen, dass das Gesellschaftsvermögen infolge der Antragsverzögerung weiterhin gemindert worden ist, insbesondere durch Eingehung neuer Verbindlichkeiten.
Aber auch die verfrühte Antragstellung kann einen Pflichtverstoß darstellen und zum Schadensersatz des Geschäftsführers führen.
Den Gläubigern der Gesellschafter gegenüber haftet der Geschäftsführer gemäß § 823 Abs. II BGB i. Verb. m. § 64 Abs. I GmbHG. Hierbei richtet sich der Umfang des Schadens danach, ob man Alt- oder Neugläubiger ist. Altgläubiger sind alle diejenigen, die bis zur Insolvenzreife eine Gläubigerstellung erlangt haben. Die Gläubiger, die tatsächlich erst nach Insolvenzreife die Gläubigerstellung erreicht haben, gelten als Neugläubiger. Insolvenzreife ist der Zeitpunkt, zu dem der Insolvenzantrag richtigerweise hätte gestellt werden können.
Für Altgläubiger besteht der nach § 823 Abs. II BGB i. Verb. m. § 64 Abs. I GmbHG zu ersetzende Schaden im sogenannten Quotenschaden, d. h. in dem Betrag, um den sich die Insolvenzquote des Gläubigers durch Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Eingehung neuer Verbindlichkeiten gemindert hat.
Neugläubigern ist dagegen der Schaden zu ersetzen, den sie durch das Unterlassen des Insolvenzantrags erlitten haben, d. h. das sogenannte negative Interesse.
Der sogenannte Quotenschaden ist vom Insolvenzverwalter geltend zu machen, soweit er den Anspruch nicht freigibt.
Das negative Interesse setzt sich zusammen aus Anschaffungs-oder Herstellungskosten einschließlich der Vertriebskosten der gelieferten Gegenstände, jedoch ohne Gewinnausschlagung. Bei Werkleistungen sind die Selbstkosten, nicht die vereinbarte Vergütung zugrundezulegen. Zusätzlich ist gemäß § 252 BGB der entgangene Gewinn zu ersetzen, soweit der Gläubiger seine betriebliche Kapazität anderweitig hätte einsetzen können, wenn er nicht mit der Gesellschaft kontrahiert hätte. Die Umsatzsteuer ist nicht zu ersetzen.
2.Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber Sozialversicherungsträgern
Die Haftung des Geschäftsführers für Sozialversicherungsbeiträge ergibt sich aus § 823 Abs. II BGB i. Verb. m. § 266 a StGB. Für die Arbeitnehmeranteile haftet der Geschäftsführer; für die Arbeitgeberanteile haftet der Geschäftsführer nicht persönlich. Die Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge hat Vorrang gegenüber anderen, etwa zivilrechtlichen Verbindlichkeiten. Der Geschäftsführer muss schon vorsorglich Mittel für die Sozialversicherungsträger bereithalten und notfalls die Begleichung anderer Gesellschaftsschulden unterlassen. In finanziellen Krisen der Gesellschaft muss er sich über die Einhaltung zur pünktlichen Zahlung von Arbeitnehmerbeiträgen vergewissern. Trifft der Geschäftsführer bei der Zahlung des Beitrags an die Einzugsstelle keine Tilgungsbestimmung, erfolgt eine hälftige Verrechnung auf Arbeitgeber-und Arbeitnehmeranteile. Auf die Tilgungsreihenfolge des § 366 Abs. II BGB kann nicht zurückgegriffen werden.
Eine Delegation der Pflicht des Geschäftsführers in vertikaler oder horizontaler Richtung ist nicht möglich. Vielmehr bleibt jedes Geschäftsführungsmitglied alleine zuständig und folglich zur Überwachung der gleichgeordneten Kollegen sowie nachgeordneter Mitarbeiter verpflichtet. Die Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge besteht auch, wenn das Unternehmen seinen Arbeitnehmern überhaupt keine oder nur einen Teil des vereinbarten Lohns bezahlt.
Die Haftung kann nur vermieden werden durch
a) einvernehmliche Vereinbarung eines niedrigeren Lohns mit einzelnen Arbeitnehmern. Hierbei kann auch eine Art Besserungsschein ausgegeben werden.
b) Soweit nicht ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stehen, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass ausschließlich auf den Arbeitnehmeranteil eine Zahlung erfolgt. Es muss also eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung vorgenommen werden, da der Geschäftsführer für die Arbeitgeberanteile nicht persönlich haftet.
3.Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Finanzamt
Der Geschäftsführer hat für das Unternehmen die steuerlichen Angelegenheiten zu regeln. Er ist Vertreter des Unternehmens. Ihm obliegt somit die steuerliche Pflicht, also die Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Steuern. Als Vertreter des Unternehmens haftet er, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit verletzt werden (§ 69 AO).
Bezogen auf die Lohnsteuer hat der Geschäftsführer die Pflicht, von dem ausbezahlten Lohn die Steuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Zahlt er die Löhne aus, ohne Steuern einzubehalten, entsteht eine persönliche Haftung in Höhe dieser nicht einbehaltenen und nicht abgeführten Lohnsteuer. Diese persönliche Haftung kann nur dadurch vermieden werden, wenn die Löhne um die Lohnsteuer gekürzt werden, also der vorhandene Auszahlbetrag als Bruttobetrag zugrundegelegt wird, die daraus abzuführende Lohnsteuer einbehalten wird und lediglich der verkürzte Nettobetrag an die Mitarbeiter ausgezahlt wird. Im Gegensatz zu den Sozialversicherungsbeiträgen nützt dem Geschäftsführer hier eine Verkürzung des Auszahlbetrages, da nur aus den tatsächlich bezahlten Löhnen die Lohnsteuer einbehalten und abgeführt werden muss.
Bei den sonstigen betrieblichen Steuern muss der Geschäftsführer darauf achten, dass das Finanzamt nicht schlechter bedient wird als andere Gläubiger. Relevant ist hier insbesondere die Umsatzsteuer. Hier darf das Finanzamt nicht schlechter gestellt werden als andere Gläubiger. Der Geschäftsführer hat daher zu prüfen, zu welchem Prozentsatz die fälligen Verbindlichkeiten bedient werden können. Genau in Höhe dieses Prozentsatzes muss er dann die Umsatzsteuer bedienen. Anderenfalls kommt er in die persönliche Haftung, und zwar in Höhe des Prozentsatzes dieses Prozentsatzes.
Diese steuerlichen Pflichten kann der Geschäftsführer nur bedingt delegieren. Sobald mehrere Geschäftsführer vorhanden sind, ist es möglich, durch eine schriftliche Vereinbarung Aufgabenbereiche, so u. a. auch die steuerlichen Aufgabenbereiche, einem Geschäftsführer zuzuordnen. Das entbindet den anderen Geschäftsführer allerdings nicht davon, seinen Geschäftsführerkollegen zu kontrollieren. Insbesondere bei einer finanziellen Krise des Unternehmens ist eine erhöhte Kontrollpflicht angesagt. Die gleichen Tatbestände treffen den faktischen Geschäftsführer.
Der Autor ist Mitglied und Vizepräsident der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V.
Für Rückfragen steht Ihnen der Autor gerne zur Verfügung:
Dr. Norbert Gieseler
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht und Erbrecht
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