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Reform der Verbraucherinsolvenz - Eckpunkte eines vereinfachten Entschuldungsverfahrens

Überschuldete Bürger sollen sich ihrer Verbindlichkeiten einfacher als bisher entledigen können. Gleichzeitig soll das Verfahren für Verwaltungen und Gerichte kostengünstiger gestaltet werden. Der Gläubigerschutz bleibe unverändert gewährleistet.

Die Länder beklagten die hohen Verfahrenskosten von durchschnittlich 2500 Euro pro Privatinsolvenz, auf denen sie vor allem bei mittellosen Schuldnern in der Regel sitzen bleiben. Die Beratungsstellen wiesen auf unnötige Bürokratie durch die obligatorische Einbeziehung der Gerichte in diesen Fällen hin. In etwa 80 Prozent aller Privatinsolvenzen sind die Schuldner völlig mittellos.

Das vereinfachte Insolenzverfahren soll diese Schwachstellen nun beseitigen.
2008 soll das Gesetz in Kraft treten
Pressemitteilung: Bundesjustizministerium


Berlin, 14. November 2006
Reform der Verbraucherinsolvenz - Eckpunkte eines vereinfachten Entschuldungsverfahrens
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat heute die Eckpunkte einer Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens vorgestellt. „Das vereinfachte Entschuldungsverfahren schafft einen sozial gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Gläubigern und Schuldnern. Es lässt dem redlichen Schuldner eine Chance für einen Neubeginn ohne Schulden“, betonte Zypries.
I. Ausgangslage: Insolvenzordnung von 1999 – eine Chance für redliche Schuldner für einen Neubeginn
Seit 1999 gibt es im deutschen Recht die Möglichkeit der so genannten Restschuldbefreiung. Von der Restschuld befreit wird jeder, der sechs Jahre lang unter Aufsicht eines staatlichen Treuhänders versucht, so viel Geld wie möglich an die Gläubiger zurückzuzahlen. Zu den Aufgaben des Treuhänders gehört, den Gläubigern des Schuldners in den sechs Jahren, die einer Restschuldbefreiung vorgeschaltet sind, so viel Geld wie möglich zurückzugeben. Im Gegenzug darf während dieser Zeit kein Gerichtsvollzieher den Besitz des Schuldners nach Geld oder teuren Elektrogeräten durchsuchen. Vielmehr hat der Arbeitgeber des Schuldners den pfändbaren Teil des Einkommens - bei einem Schuldner ohne Unterhaltspflichten sind das zur Zeit alle Beträge über 985 Euro - an den Treuhänder abzuführen, der dies einmal jährlich an die Gläubiger verteilt. Läuft alles korrekt ab, werden die verbliebenen Schulden gestrichen.

Die heutige Praxis der Verbraucherinsolvenz - insbesondere bei masselosen Schuldnern - steht in der Kritik. Rechtspfleger an den Amtsgerichten und Insolvenzrichter sind dem Ansturm der Verfahren und der damit verbundenen Bürokratie kaum gewachsen. Die Bundesländer klagen über die finanzielle Belastung durch die Stundung der Verfahrenskosten, die etwa 2500 Euro pro Verbraucherinsolvenzverfahren betragen. Diese Kosten soll eigentlich der Schuldner tragen. Ist dieser jedoch mittellos, muss die Justizkasse der Länder einspringen und das Geld im Wege der Stundung vorstrecken. Und eine Befriedigung der Gläubiger ist nicht ernsthaft zu erwarten. In etwa 80 % aller Privatinsolvenzverfahren sind die Schuldner völlig mittellos.

II. Warum brauchen wir ein vereinfachtes Entschuldungsverfahrens?

Unser heutiges Verbraucherinsolvenzverfahren ist gut – aber es ist zu teuer und zu bürokratisch in Anbetracht der Tatsache, dass von 80 % der Schuldner keine relevanten Einkünfte zu erwarten sind.
Ist ein Schuldner nachweislich völlig mittellos, so wird ein Insolvenzverfahren aber seinen Zweck verfehlen. In dieser Situation ist es ausreichend, wenn eine sorgfältige Ermittlung der Vermögensverhältnisse des Schuldners erfolgt.
Das Verfahren soll nicht nur einen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners und seiner Gläubiger bieten. Es muss sozial gerecht sein und die allgemeinen Interessen des Wirtschaftsverkehrs berücksichtigen.
III. Eckpunkte des vereinfachten Entschuldungsverfahrens bei völlig mittellosen Schuldnern

1. Gang des Verfahrens
Das vereinfachte Entschuldungsverfahren passt sich nahtlos in das geltende Insolvenzverfahren ein. Da keine die Verfahrenskosten deckende Masse vorhanden ist, erfolgt entsprechend § 26 InsO eine Abweisung mangels Masse. Damit ist das Verfahren für den Schuldner jedoch nicht beendet, sondern es wird lediglich die Stufe des eröffneten Insolvenzverfahrens übersprungen und unmittelbar in das Restschuldbefreiungsverfahren übergeleitet.

Bereits das geltende Recht schreibt vor, dass der Schuldner mit seinem Eröffnungsantrag eine Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle vorzulegen hat. Aus dieser Bescheinigung soll sich ergeben, dass eine Einigung mit den Gläubigern entweder ergebnislos versucht oder – so im künftigen Recht – eine solche offensichtlich aussichtslos war. Im Rahmen dieses Bescheinigungsverfahrens wird der Schuldner das umfangreiche Formular, das detailliert seine Vermögensverhältnisse abfragt, gemeinsam mit der geeigneten Person oder Stelle ausfüllen. „Geeignete Personen“ für die Beratung der Schuldner sind etwa Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater. Wer als „geeignete Stelle“ in Betracht kommt, legt jedes Bundesland selbst fest. Staatliche Schuldnerberatungsstellen sind ein Beispiel, in Berlin etwa der Caritasverband für das Erzbistum Berlin e. V. (Adressen unter www.forum-schuldnerberatung.de)
Wird der Eröffnungsantrag nun mangels Masse abgewiesen, muss der Schuldner die Formulare mit dem Gerichtsvollzieher zu erörtern und an Eides statt die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben zu versichern. Das Gericht kündigt danach die 6-jährige Wohlverhaltensperiode an. In dieser treffen den Schuldner die gleichen Obliegenheiten wie in einem normalen Restschuldbefreiungsverfahren. Gleichzeitig wird der Treuhänder bestellt - etwa ein Rechtsanwalt oder Steuerberater. An ihn muss der Schuldner den pfändbaren Teil seines Einkommens abtreten. Gläubiger können der Restschuldbefreiung widersprechen. Macht dies ein Gläubiger nicht, kann er nach Ablauf der 6 Jahre seine Forderungen nicht mehr gegen den Schuldner durchsetzen.

2. Neues Vermögen des Schuldners
In dieser 6-jährigen Wohlverhaltensperiode kann es nun dazu kommen, dass der Schuldner etwa durch Erbschaften zu neuem, unvorhergesehenem Vermögen kommt, das bei der Verteilung zu berücksichtigen ist. Dann gilt folgendes Prozedere:

Erzielt der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode pfändbare Einkünfte, die an den Treuhänder abgetreten wurden, so erfolgt die Verteilung an die Gläubiger bei Beträgen unter 1.000 € gemäß dem Forderungsverzeichnis, das gemeinsam mit der geeigneten Person oder Stelle aufgestellt wurde.
Bei Beträgen über 1.000 € hat der Treuhänder dies öffentlich bekannt zu machen und die Gläubiger aufzufordern, ihre Forderungen anzumelden. Anhand dieses ergänzten Forderungsverzeichnisses erfolgt, sofern kein Widerspruch erhoben wird, die Verteilung.
3. Kostenbeteiligung des Schuldners
Es ist geboten und gerechtfertigt, den Schuldner, der die Rechtswohltat einer umfassenden Schuldbefreiung erhalten will, in einem bescheidenen Umfang an den Verfahrenskosten zu beteiligen. Gedacht ist hier an eine Größenordnung von 13 € pro Monat. Damit sollen ein Teil der Verfahrenskosten und die Kosten für den Treuhänder abgedeckt werden.

4. Vorteile dieses Verfahrens
Gegenüber alternativen Entschuldungsmodellen und gegenüber dem geltenden Recht, das eine Stundung der Verfahrenskosten kennt, hat dieses vereinfachte Entschuldungsverfahren erhebliche Vorteile:

Das Verfahren ist in das geltende Recht eingebettet, ohne dass ein zusätzliches Sonderverfahren vorgesehen werden muss. Der regelungstechnische Aufwand ist deshalb überschaubar und löst keine neue Bürokratie aus.
Über eine Kostenbeteiligung wird dem Schuldner deutlich gemacht, dass er nur über gewisse Eigenanstrengungen eine Entschuldung erreichen kann. Eine Entschuldung zum Nulltarif soll es künftig nicht mehr geben.
Dafür erhält der Schuldner

den Schutz vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen,
eine umfassende Entschuldung auch hinsichtlich der nicht genannten Forderungen,
die gleiche Laufzeit von 6 Jahren wie beim sonstigen Restschuldbefreiungsverfahren.

Bundesjustizministerium
 
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